Perlen vor die Trauer – wie mich ein Armband-Workshop weichgekocht hat

ch hätte es selbst nicht gedacht – aber da saß ich also: In einem Trauer-Workshop. Und wir bastelten Perlenarmbänder.

Für gewöhnlich mache ich meine Trauer lieber mit mir selbst aus. Oder mit einem Stift. Oder mit Tee auf der Couch. Aber diesmal war es anders. Ich hatte mich kurz vor der Beerdigung meines Vaters in diesen Workshop eingebucht – vielleicht aus einer leisen Ahnung heraus, dass ich einen Raum brauche, in dem ich nicht funktioniere, sondern einfach nur bin.

Der Workshop fand in einem wunderschönen alten Haus mitten in München statt – dem Ruffinihaus, ein Ort voller Geschichte und Kreativität. Uli von @livelifeloss hatte ihr Büro für uns in eine kleine Werkstatt verwandelt. Es war still, schwer – aber nicht bedrückend. Eher voller Geschichten, die in der Luft schwebten, bereit, erzählt zu werden.

Ich nahm mir eine Walnuss. Weil mein Vater, ganz ehrlich, eine harte Nuss war. Unsere Beziehung reichte von kalt bis lauwarm, nie wirklich herzlich, oft kompliziert. Ich hielt die Nuss während der Vorstellungsrunde fest umklammert, obwohl ich sie eigentlich zu den anderen symbolischen Gegenständen legen sollte. Ich ließ sie erst am Ende los – ein kleines Sinnbild für meinen Trauerprozess.

Eine Woche zuvor hatte meine Therapeutin mich gefragt, ob ich mich schon angefangen hätte, von meinem Vater zu verabschieden. Ich verneinte – aber nicht, weil ich nicht wollte. Ich wusste einfach nicht wie.

Sie schlug vor, ich könne ein Ritual machen. Eine Kerze, ein Foto, ein Brief. Natürlich entschied ich mich fürs Schreiben. Und da begann es.
In meinen Briefen an ihn entstand langsam ein innerer Ort – eine graue Mondlandschaft, voller Krater, kalt und leer. Und doch… war da plötzlich etwas: Die Ahnung, dass dort all die Jahre Platz für Liebe gewesen wäre.

Ich schrieb weiter. Jeden Abend. Und dann, irgendwann, kam dieser eine Satz über meine Lippen: „Ich hab dich lieb.“ Ich erschrak. Stand auf. Sagte laut: „Wir sagen das nicht.“ Und weinte.

Aber etwas war passiert. Ein Riss in meiner eigenen harten Schale.
Jetzt, einige Zeit später, höre ich manchmal seine Stimme in meinem Kopf. Spüre seine Energie. Und auf meiner inneren Mondlandschaft sprießt vorsichtig erstes Gras.

Es gibt nach wie vor Tage, an denen ich ihn innerlich verfluche. Er war kein guter Vater, dafür ein verdammt guter Geschäftsmann. Aber ich merke: In der Trauer entsteht Platz für beides. Für die Wut. Für die Liebe. Und für all die ganz feinen Zwischentöne an Gefühlen.

Und manchmal reicht schon eine Walnuss, um damit anzufangen.


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