„Ich habe Angst, dass mein Leben wieder geht.“
“Urch, arch.” stöhne ich. “Dieses frühe Aufstehen.“ Ich jammere weiter vor mich hin und schlürfe dabei durch meine Wohnung.
“Der frühe Vogel…” beginnt mein Leben.
“Kann mich mal…” vollenden meine Trauer und ich unisono den Satz.
Meine Trauer fläzt auf meiner Couch. Die Bettdecke und das Kissen, das ihr schon eigentlich fast gehören von ihrem letzten Dauerbesuch, liegen achtlos zusammen geknüllt vor ihr auf dem Boden. Ich verdrehe genervt die Augen und lasse mich dann weiter klagend neben meine Trauer auf die Couch plumpsen.
“Wieso bist du eigentlich noch hier?” frage ich meine Trauer. Mein Leben hat gerade wieder einen hyperaktiven Anfall und räumt die Wohnung auf. Im Hintergrund plätschert leise Wasser. Mein Leben macht den Abwasch und pfeift leise dabei.
Meine Trauer schiebt sich seine Lesebrille in die Haare und sieht mich mit diesem Blick an, von dem ich weiß, dass das, was sie sagen wird, mir nicht gefallen wird.
“Weil du dich veränderst.” spricht meine Trauer und sieht mich einfach nur weiter an.
“Verändern? Wie? Ich bin doch noch ich – oder etwa nicht?” Schnell scannt mein Blick mein Outfit des Tages: ein bunter Blazer, eine weite schwarze Leinenhose dazu und eine weiße kurzärmlige Bluse.
Meine Trauer folgt meinem Blick und schmunzelt: “Klar bist du noch du. Aber hast du wirklich geglaubt, dass dich der neue Job nicht verändert? Das er nichts “mit dir macht”?”.
“Puh – keine Ahnung. Ich war so fokussiert darauf, ihn überhaupt erstmal zu kriegen, dass ich mir um das “danach” keine Gedanken gemacht habe. Ich wußte auch nicht, dass ich mich so einsam fühlen würde, so verloren…” Ich senke die Stimme “mit meinem Leben.”
Meine Trauer nickt ernst. Ihr Kopf deutet in Richtung Küche: “Weiß dein Leben schon davon?” Ich schüttele nur den Kopf und fühle kleine Stiche in meinen Augen. Wieder Tränen. Es scheint mir manchmal, dass mein ganzer Lebensweg nur mit Tränen gepflastert ist.
“Vielleicht solltet ihr mal miteinander reden? Du und dein Leben?”
“Ich traue mich nicht.” Flüstere ich. Verlegen stupse mit meinen Zehen die Bettdecke meiner Trauer auf dem Teppich ein bisschen hin und her.
“Na aber wenn du es nicht tust, dann denkt dein Leben alles ist Bombe – oder?” Sanft streicht meine Trauer mir eine Träne von der Wange. “Ich habe Angst, dass es dann wieder geht.” Flüstere ich. “Ich habe mich doch so gefreut, dass es bei mir eingezogen ist. Auch wenn ich es ihm so nie gesagt habe und es schon gleich dreimal nicht fühlen hab lassen.” Ich schniefe.
“Hier.” Elegant reicht mir meine Trauer ein rot-weiß kariertes Taschentuch. Meine Trauer ist einfach immer auf meine Tränen vorbereitet. “Rede mit deinem Leben. Ihr müsst das klären. Du machst dich ja kaputt mit deinem Schweigen.”
“Okay.”