Sonntags mit meiner Trauer
„Ich hasse Sonntage.“ stöhne ich und stehe von der Couch auf und zünde mir am offenen Balkonfenster eine Zigarette an.
„Du immer mit deinem Sonntagsdrama.“ meine Trauer sieht vom Laptop auf, vor dem wir beide die letzten Stunden mit ‚Sex and the City‘ gucken verbracht haben.
„Ich müßte eigentlich noch Wäsche waschen, kochen, aufräumen – ach und lauter so ein Scheiß.“ wütend blase ich den Zigaretten Rauch raus.
„Wie hieß die eine Folge bei ‚Sex and the City‘ noch gleich? ‚Coulda, Woulda, Shoulda’ ?“ meine Trauer schmeißt noch mal schnell Google an, um auch ganz sicher den Episoden Titel richtig zu sagen. Zufrieden nickt sie: „Jap. So hieß die. Von 2001. Wow!“
„Warum bist du so unruhig?“ frägt sie mich und wickelt sich meine Kaschmir Decke nochmal fester um die Schultern. Durch die offenen Balkon Tür strömt die Kälte des grauen Sonntags in die warme Wohnung.
„Mich erinnert der Sonntag immer an DEN Tag.“ murmle ich leise. „Wenn ich unter der Woche Termine habe, dann bin ich abgelenkt und muß nicht dauernd denken. Und dieser vermeintlicher Frieden, den ein Sonntag eigentlich haben sollte? Ich spüre den einfach nicht. Für mich fühlt sich ein Sonntag an, wie eine endlose Wiederholung von DIESEM Tag an.“
Meine Trauer nickt wissend. Wie immer, weiß sie von welchem Tag ich spreche. „Schau Irene“ fängt sie an „Du hast dich entschieden über den Tod deiner Mutter, deine Trauer – also mich- ein Buch zu schreiben. Und jede Geschichte braucht einen Anfang. Und der Anfang unserer Geschichte ist nun mal der Tag an dem deine Mutter starb.“
Ich drücke die Zigarette im Aschenbecher aus und schließe die Balkontür. „Hattest du den Anfang schon geschrieben?“ frage ich meine Trauer. Sie schüttelt den Kopf: „Nein, das ist DEINE Geschichte. Ich habe den Anfang in unserem Buch freigelassen. Ich habe darauf gehofft, dass DU über DEN Tag schreibst.“
Ich nicke und gehe langsam auf meine Trauer zu und nehme ihr unser Buch aus der Hand. Ich schlage die leeren ersten Seiten auf und beginne zu schreiben.