Im Keller mit meiner Trauer
„Hier könntest Du auch mal aufräumen.“ bemerkt meine Trauer trocken.
„Ach was!“ antworte ich genervt und stelle einen der Kartons auf einen Stapel Umzugskartons. Alles fällt um.
„Ach Scheisse!“ fluche ich „Hoffentlich sind die Christbaumkugeln jetzt nicht kaputt!“ ich baue den Stapel wieder auf und schaue in die Kiste mit den Kugeln – puh, alle noch ganz.
„Was haben wir denn hier?“ meine Trauer bückt sich und zieht an etwas Schwarzem, was zusammen geknüllt in einer Ecke unter weiteren Kisten liegt.
„Nicht!“ rufe ich und sprinte die 2 Meter zu meiner Trauer und reiße ihr das schwarze Etwas aus der Hand.
„Was ist das?“ frägt mich meine Trauer.
Ich schüttele das schwarze Etwas aus und zeige es meiner Trauer: „Ein Kleid.“ ich halte mir das Kleid vor meinen Körper.
„Das habe ich auf meiner letzten Weihnachtsfeier das letzte Mal angehabt – das war noch vor Corona.“ ich seufze.
„Hmm, das erinnert mich ein bisschen an das Kleid was du auf der Beerdigung deiner Mutter getragen hast.“ meine Trauer lehnt jetzt lässig an der Kellertür und macht mit dem Ellenbogen das Licht wieder an, das wegen der Zeitschaltung immer wieder ausgeht.
„Ich erinnere mich nicht mehr, wie das Kleid auf der Beerdigung genau aussah.“ Ich falte das Kleid aus dem Keller ordentlich zusammen und lege es oben auf einen Kistenstapel.
„Ich weiß nur noch, dass ich nicht wollte, dass es an diesem Tag dreckig wird.“ fahre ich nachdenklich fort.
„Sollen wir mal wieder nach oben gehen, die Überreste vom Weihnachtsbaum aufkehren und nachlesen, ob wir etwas darüber in unserem Buch finden?“ frägt mich die Trauer.
„Ich bin nicht sicher, ob ich schon so weit bin.“ antworte ich und werfe noch einen Blick auf die weiße Ikea Kiste in der ich die Tagebücher meiner Mutter, verschiedene Fotos und ihr grünes Samtkostüm, was sie an ihrer standesamtlichen Hochzeit anhatte, aufhebe. „Ich bin da und wenn es zu schmerzhaft wird, machen wir was anderes – okay?“
„Okay.“ ich schließe die Kellertür ab und in dem Moment geht wieder das Licht aus. Meine Trauer greift meine Hand und flüstert leise: „Hab keine Angst.“ Gemeinsam tasten wir uns den Weg ins Licht des Hausflurs.